geboren als Henry Roeland Byrd am 19. Dezember 1918 in Bogalusa, Louisiana; gestorben am 30. Januar 1980 in New Orleans, Louisiana; auch bekannt als „Fess“ und „Baldhead“.

 

Henry Roeland Byrd alias „Professor Longhair“ alias „Fess“ alias „Baldhead“ ist mir persönlich einer der Wichtigsten, und ihm widme ich das erste G´schichtl:

Am 12.1.1974 strahlte Ö3 die „New Orleans Saga Teil 1“ aus (ja, damals gab es noch wirkliche Beiträge auf diesem Sender!). Von dieser von Wolfgang Kos gestalteten Story hatte ich mir eigentlich Jazz erwartet, aber es sollte anders kommen – vor den einleitenden Worten war der gute ‚Professor‘ zu hören, dessen Musik mir damals noch weitgehend unbekannt war – was sich aber bald ändern sollte.

„Professor Longhair ist kein Professor, sondern ein „windschiefer Autodidakt vom Scheitel bis zur rhythmisch mitwippenden Sohle“, war der Sprecher zu hören, und das entspricht durchaus dessen bis dahin bekannter Biografie. Wenig später sollte ich draufkommen, wie es zur Sendung gekommen war – es waren gleichzeitig drei LPs auf dem Markt, die ausschnittweise zu hören waren – Atlantic SD-7225 „Professor Longhair-New Orleans Piano“, Atco SD-7006 „Dr. John´s Gumbo“ (beide gehören zu meinen „Inselplatten“) und United Artists UAS-29215 „Sound Of The City – New Orleans“, eine Zusammenstellung von Titeln die vom Imperial bzw. Minit Label stammen (50er und 60er Jahre).

Heutzutage kann man viele Longhair-CDs leicht kaufen (oder die Songs downloaden) – 1974 gab es außer der Atlantic LP so gut wie nix.
Antiquarisch fand ich um ein Schweinegeld ein 10″ Bootleg Album („Professor Longhair – New Orleans: 88“ – Speakeasy LP10-78) und das wars.

Etwa ein Jahr später kam „Rock and Roll Gumbo“ heraus (mit Clarence ‚Gatemouth‘ Brown) auf einem französischen Label, und das war kein Wunder, denn da befand sich Byrd bereits in seiner „zweiten Karriere“, die bereits 1971 mit Schallplattenaufnahmen begonnen hatte, deren Veröffentlichung allerdings bis in die achtziger Jahre warten musste.

Aber zurück zur „ersten Karriere“ – Details können im Internet nachgelesen werden und dürften zumindest weitgehend stimmig sein, stammen sie doch meist aus mit Longhair selbst geführten Interviews (sofern dessen Erinnerungsfähigkeit einigermaßen intakt war). Interessant im Zusammenhang ist ein Reisebericht von Mike Leadbitter und John Broven mit dem Titel „New Orleans – Behind The Sun“ (Blues Unlimited No.76, Nov.1970).
Sie fanden Roy Byrd im April 1970 …“der in der Nähe einer extrem lauten Bar lebte“ … „der weder glatzköpfig (‚baldhead‘) noch besonders langhaarig (‚longhair‘), aber… „in schlechtem Zustand war“. „Anscheinend ‚trocken‘ machte er doch einen verkaterten Eindruck. Ein Auge war geschlossen, das andere tränte permanent, und ein Knie schien dauernd umzuknicken“ (tatsächlich sieht man ihn auf späteren Fotos mit Gehstock). Leadbitter stellt fest, dass ihm „Talente, die ‚verrotten‘ ohne dass sich jemand um sie kümmert“ schon oftmals untergekommen sind, ihn aber immer noch betroffen machen. Das in der Folge geführte Interview deckt sich mit der bekannten Biografie.

Was Leadbitter und Broven zu jenem Zeitpunkt nicht wissen konnten ist, dass es bald darauf steil bergauf gehen würde. Sie riefen sogar auf, „jedermann der helfen möchte, möge sich an Blues Unlimited wenden…“

Longhair´s „Erste Karriere“ hatte 1964 mit der Veröffentlichung einer letzten Single geendet (Watch Records 45-1904 „Third House From The Corner/Willie The Prince“ – Professor Longhair And The Clippers“), eine schreckliche Scheibe, die meines Wissens (zu Recht) niemals wiederveröffentlicht wurde. In die nationalen Billboard „Rhythm & Blues Single Charts“ schaffte es nur „Bald Head“ (Mercury 8175), das im August 1950 zwei Wochen lang gelistet war und Platz fünf erreichte.

Die heute populären Titel „Mardi Gras In New Orleans“ (erstmals aufgenommen ca.1948 für Star Talent), populär als „Go To The Mardi Gras“ 1959 auf Ron Records, und „Tipitina“ (seit 1953 immer wieder eingespielt) waren nur in lokalen Charts zu finden.

Noch tingelte Byrd in kleinen lokalen Clubs und Bars umher, schaffte es aber bald zum „Geheimtyp“, konnte 1971 beim Jazz & Heritage Festival in New Orleans auftreten und wurde einem breiteren Publikum bekannt. Bald erreichte ihn der Ruf Europas (möglicherweise eine Folge des Blues Unlimited Berichts), und alsbald war er in Montreux beim Jazzfestival dabei. Zu seinen Bewunderern zählte unter vielen anderen Paul McCartney, der ihn zuvor in New Orleans gesehen hatte und ihn im März 1975 zu Liveaufnahmen auf die vor Long Beach, CA. angedockte „Queen Mary“ einlud. Mehrmals war er in Europa, leider nie in Österreich.

Es fällt schwer, Empfehlungen für zur Zeit erhältliche CDs abzugeben; mein persönlicher Favorit sind die 1949 und 1953 Einspielungen für Atlantic, sowie die anderen frühen Aufnahmen, die auf Rhino oder Nighthawk wiederveröffentlicht wurden; aus der „zweiten Karriere“ gibt es live Mitschnitte aus dem „Tipitina´s“ in New Orleans 1978 (Atlantic, Tomato), die am besten das Konzertereignis Roy Byrd wiedergeben. Ein bemerkenswertes Album wurde 1979 für Alligator aufgenommen, bei dem auch Dr. John als Gitarrist zu hören ist. Auf die VHS/DVD „Piano Players Rarely Ever Play Together“ mit Longhair, Tuts Washington (einem der Vorbilder Byrd´s) und Allen Toussaint würde ich auch nicht gerne verzichten – leider hat der 1980 verstorbene Professor die Veröffentlichung nicht mehr erlebt.

Zitate Professor Longhair:

„Ich spiele eine Mischung aus Rhumba, Mumbo (sic!) und Calypso“

„Mein Spiel ist ein bisschen rüpelhaft“

„Wenn ich so großartig bin, wieso habe ich keinen super Plattenvertrag?“

„Wir spielen in b-minus“ (minor, also Molltonarten, waren bei ihm immer „minus“)

Niemand weiß, ob uns nicht ein potenziell großer Star frühzeitig abhanden gekommen ist.

Möge Henry Roeland Byrd in Frieden ruhen!

Wikipedia – Biografie                                                    

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